Willkommen zu meinem Roman. Setzen Sie sich, nehmen Sie sich eine Kekspackung, die Thermoskanne mit Tee und lehnen Sie sich zurück.
Ich sehe mir gern Filme und Serien an. Lieber gute Filme und Serien. Aber was ist eigentlich gut?
Es gibt viele Punkte, die das beeinflussen, und ich werde sie hoffentlich größtenteils abdecken.
Die eigenen Interessen haben sicher auf die Filmkollektion einiger Leute Auswirkungen. Als Informatiker schaue ich recht ungern Filme an, die etwas mit IT oder ähnlichen Themen zu tun haben, denn sie sind auf einen überschaubaren Verständnishorizont zugeschnitten. Das macht sie auf dem Gebiet simpel und oft unglaubwürdig. „Animatrix“(& Co.) und „The IT Crowd“ sind zwei regelbestätigenden Ausnamen. Krimis und verzwickte Stories habe ich schon immer gemocht, daher neige ich dazu, diese anzusehen, aber nicht automatisch besser zu heißen. Horrorfilme sind nicht so mein Ding, da mir die meisten zu sehr auf den Schreckmoment konzentriert sind. Interessen dienen bei mir also eher zur Filmauswahl als zur Bewertung.
Erfahrungen und Erwartungen tragen zu dem Maß, an dem ich Filme und Serien messe, einen guten Teil bei. Was hat man bisher schon Vergleichbares in dem Genre gesehen, was hat gefallen und welche Erwartungshaltung ergibt sich daraus für Kommendes? Ich finde, das ist ein zentraler Teil im Beurteilungsverhalten und -vermögen vieler Menschen, denn es ist nicht einfach trotz dem Vorwissen an einen neuen Streifen vorurteilsfrei heranzutreten. Erinnert irgendwie an neue LebensabschnittsgerfährtInnen (falls das noch so geschrieben wird). Kennt man schon ein paar, dann glaubt man zu wissen, was man will und was gut ist. Leider werden dabei potenziell gute „Streifen“ mittels Erfahrungsrasterfahndung dann oft aussortiert. Wenn man was Passendes findet, wird es absichtlich oder nicht mit etwas Unerreichbarem verglichen. Unerreichbar, da man sich wie immer nur das Gute oder das Schlechte gemerkt hat. Erfahrungen und Erwartungen sind als Vergleichsgut nützlich, aber auch störend, da man vorbelastet ist. Ich gebe neuen Serien also statt 10 Minuten eher 3 Folgen, bis ich wirklich anfange sie zu kritisieren.
Ein weiteres Kriterium für Filme bestimmter Qualität kann auch die Auswahl bestimmter Schauspieler und Regisseure sein. Ich bin z.B. ein Fan von Robert DeNiro, Al Pacino, Simon Pegg, Martin Scorsese und Quentin Tarantino, um nur ein paar Namen zu nennen. Ich mag sie nicht wegen Ihres Aussehens (dann würde ich wohl eher alle Filme mit Salma Hayek kennen), sondern wegen den außergewöhnlich guten Filmen, für die sie stehen. Jeder Schauspieler oder Regisseur fängt meist klein an und hat sicher auch schlechte Streifen in der Filmography stehen, aber es ist ein Weg um ähnliche und hoffentlich vergleichbar gute Werke zu finden. Mir ist dabei die Website imdb.com eine große Hilfe, da man z.B. von Film zu Schauspieler/Regisseur usw. springen kann und dort weitere Filme mit oder von der Person findet. Man sich jedoch nicht zu sehr auf gleichbleibende Qualität der Beteiligten und Bewertung durch User kann verlassen.
Eine gute Story ist das Mainboard (für alle Religionspädagogen: Grundlage) eines guten Streifens. Sie führt den Zuschauer an der Hand, verwirrt ihn und lässt ihn bis zum Schluss den Atem anhalten. Falls er da nicht schon blau angelaufen ist und ihn der Gärtner durch einen vergifteten Rosendorn beim Pflücken in die Leichenhalle geschickt hat. Sie ist nicht immer so essentiell wie bei Krimis und Dramen, aber auch Komödien werden durch eine gute Story und Charaktere von einer losen Sketchesammlung zu einem lustigen Film, den man auch mit weniger als zwei Promille ansehen kann. Eisspezialist Simon Pegg stimmt mir da übrigens zu. (Quelle youtube – viel Spaß beim Suchen!)
Mir ist es vollkommen egal, wer einen Charakter spielt. Mir kommt es auf die schauspielerische Leistung an, sodass man ihm die Rolle abnimmt. Ich muss mich hineinversetzen oder etwas nachvollziehen können, dass ich die Leistung gut finde. Ein grottenschlechtes Script werde ich dem Schauspieler natürlich nicht in die Schuhe schieben, aber ich will hier auch nicht einzelne schauspielerische Leistungen bewerten, sondern Filme und Serien als Ganzes betrachten. Mir würde es ehrlich gesagt auch schwer fallen, eine gute Leistung eines Schauspielers trotz eines durchgehend schlechten Scripts zu erkennen.
„Cypher“, „Memento“ und „Usual Suspects“ sind nur ein paar Beispiele für geniale Stories in Filmen, die fesseln. Von Anfang bis Ende ist man komplett ahnungslos, zerbricht sich den Kopf und wird überrascht. Dramen und Romanzen wie „Good Will Hunting“ und „Vicky Cristina Barcelona“ sind Glanzstücke, die nicht nur in der Erinnerung daran ein zufriedenes Schmunzeln herbeizaubern.
Bei Serien verhält es sich etwas anders, da sich oft mehrere Handlungsstränge über eine ganze Staffel ziehen. Dem Zuschauer werden Etappenziele als Häppchen verabreicht. Im Vergleich zum Film hat das Vor- und Nachteile. Geschichten können sich langsamer entwickeln und die Tiefe und das Alltagsleben von Charakteren können besser beleuchtet werden. Auf der anderen Seite erwartet man natürlich immer gut unterhalten zu werden, etwas in einer Folge zu erfahren und nicht nur in den letzten zwei Episoden alles zu erfahren. „True Detective“, „Fargo“ und „The Americans“ sind meiner Meinung nach sehr gute Krimiserien, die so gut wie alles richtig machen. Für die, die lieber lachen, als sich mit Toten und Spionen zu beschäftigen, lege ich „The IT Crowd“, „Coupling „und „Malcolm mittendrin“ ans Herz.
Es ist gut, eine passende Story zu haben, aber wenn sie dann auch noch passend erzählt und mit passender Musik untermalt wird, dann macht es doppelt Spaß: Storytelling und Filmmusik.
Richtiges Storytelling kann z.B. die Zerstückelung des Films wie in „Pulp Fiction“ sein. In Memento sieht man, dass es auch sehr gut rückwärts funktioniert. Bei „Vicky Cristina Barcelona“ hat man den klassischen Erzähler (mit passender Musik) und in „Der blutige Pfad Gottes“ werden zeitversetzte Handlungsstränge an einem Tatort übereinandergelegt um den Tathergang mit Tätern und dem Ermittler synchron zu sehen. Die Monologe in „True Detective“ vermitteln nicht nur Verständnis für die Story und den depressiven Zustand des Charakters, sondern dienen auch als eine Art Filmmusik für die Atmosphäre. Der Einfallsreichtum beeindruckt, und wenn man sich durch die Erzählweise mitgenommen fühlt, dürfen sich nicht nur die Zuschauer freuen.
Die schon angesprochene musikalische Untermalung kann Unglaubliches leisten. Sei es „Star Wars“ oder „Star Trek“ – welcher Fan bekommt keine Gänsehaut bei der Titelmusik (manche sogar täglich um 15 Uhr auf Sat1 nach dem Zivildienst back in the days of ’96) und identifiziert sich damit? Man erinnere sich an die beängstigende Stimmung in der Garage bei „Resevoir Dogs“ („Stuck in the Middle With You“). Persönlich finde ich ja, dass Tarantino eines der besten Händchen für stylische Filmmusik hat und damit Meisterwerke schafft oder weiter ausschmückt. Und wenn ich mir die CD seiner besten Stücke gekauft habe, dann heißt das was.
Die Glaubwürdigkeit eines Filmstücks betrifft das komplette Spektrum: Story, Charaktere, Set, Maske, SFX, Schauspieler usw. Glaubwürdigkeit hat natürlich nicht unbedingt etwas mit Realität zu tun, sonst gäbe es seit 1977 wohl viele durch Lichtschwerter verstümmelte Nerds, sondern vielmehr etwas mit „Ja, damit kann sich meine Fantasie anfreunden.“ Ich mag Filme, bei denen verschiedene Aspekte in nachvollziehbarem Ausmaß vorkommen. Sei es die Brutalität bei „Resevoir Dogs“, „Game of Thrones“ und „Band of Brothers“, die Emotionalität bei deutschen Filmen wie „Der Krieger und die Kaiserin“ oder „Das Experiment“, oder die Spannung bei „Heat“ und „Die Hard“. Sie passt einfach dazu und ist angemessen. Ein sehr wichtiger Teil beim Genießen eines teilweise blutrünstigen oder emotional aufwühlenden Kunstwerk ist es, es als solches anzusehen. Bei den meisten kann ich das, aber bei Horrorfilmen wie Saw ist bei mir meist die Grenze überschritten. „Butterfly Effect“ (Director’s Cut – nicht die Pussyzuschauerversion 😛 ) ist zwar gruselig und irgendwie grenzwertig, aber ich finde die Story faszinierend und nachvollziehbar.
Für die Glaubwürdigkeit bei Set, Maske und Special Effects hilft natürlich auch ein dickes Budget (besonders bei bestimmten Genres), aber es gibt genug Beispiele für sehr beliebte und erfolgreiche Filme mit einem kleineren Geldbeutel. Es kann sich also lohnen, seinen Horizont nicht nur auf Hollywood zu beschränken, auch wenn man dann meist auf Action, SciFi und Fantasy verzichten muss, um Gutes zu sehen.
Fazit: Das Qualitätsempfinden bei bewegten Bildern ist stark subjektiv und hängt von vielen Faktoren wie Story, Charakteren und besonders der eigenen Erwartung ab. Die Punkte, die mich am meisten überzeugen, sind die Authentizität eines Film zu sich selbst, eine gute Story und gut gespielte Charaktere.
Meine Empfehlung ist, sich Zeit für Filme zu nehmen, diese in Ruhe wie ein Buch zu lesen und sich danach darüber zu unterhalten. Bei Actionstreifen tut es statt der Unterhaltung auch ein kühles Weißes. Bleibt Euren Lieblingsgenren nicht treu und schaut Euch auch mal Filme mit niedrigerem Budget an, denn die haben zwar weniger Masse, aber meist mehr Tiefe. Ein guter Einstiegspunkt ist http://www.imdb.com/chart/top und meine Must-Have-Seens kommen auch demnächst.
Tut Euch einen Gefallen und bevorzugt die Originalfassung.
Bitte um Feedback! Filme, Serien, Katzenstreu und Birkenstock – alles willkommen!
Danke fürs Lesen und den Schreibanstoß,
Euer GlatzoPatzo